Liebe Kirchgemeindeglieder,
vielleicht kennen Sie diesen kleinen Ort im Süd-Harz: Die sogenannte „Hochharzstraße“ streift das Dorf, es gibt wenig Durchgangsverkehr und auch ansonsten ist nicht viel los hier. Nur vereinzelt kommen Menschen in diese überschaubare Siedlung unweit der Grenze nach Niedersachsen. Gemeint ist das Dorf „Sorge“.
So müsste es eigentlich sein: Keine Hauptstraße führt hinein nach Sorge, nur wenige finden den Weg dorthin. Und wenn, dann fahren sie einfach dran vorbei. Doch das ist leicht gesagt. Das Gegenteil ist der Fall. Wenn auch im Dorf Sorge nur wenige Menschen zu Hause sind, so herrscht in der Ansammlung der menschlichen Sorgen reges Treiben. Vergleichbar einer Großstadt mit ungezählten Einfahrten, Plätzen und Kreuzungen. Irgendwann kommt jeder hier mal an. Manche eher, andere später, manche regelmäßig, andere seltener. Einige halten nur kurz. Andere steigen aus für einen längeren Aufenthalt. Wieder andere haben sich hier längst häuslich eingerichtet. Kommen kaum noch raus. Und etliche Fahrten enden hier. Endstation.
Kein Wunder. Sorgen machen wir uns viele: Um steigende Lebensmittel- und Energiepreise, um einen Krieg nicht weit weg, um den Zustand unsrer Erde und dann vielleicht noch um ganz persönliche Dinge.
Sorgen zermürben. Setzen zu. Wenn an das gedacht wird, was noch kommen mag, gibt es Grund zum Grübeln. Schreckensbilder ziehen vorüber und bringen mich um den Schlaf. Dann passiert es, dass ich die Sorgen nicht beherrsche, sondern die Sorgen beherrschen mich. Ich stecke fest in der Megasiedlung Sorge. Aber wohin mit ihnen? Was tun, wenn ich in Sorge ankomme und es nicht weitergeht? Wie komme ich da raus?
Meine These: Ein Leben in der Ortschaft Sorge hat sich Gott für mich nicht gedacht. Zwar kann ich nicht verhindern, dass ich mich immer wieder sorge. Aber Sorgen sollen mich nicht beherrschen und bestimmen. „Sorgt euch nicht!“, sagt Jesus in der Bergpredigt. „Vertraut auf Gott! Bringt ihm eure Sorgen. Euer himmlischer Vater weiß, was ihr braucht! Er sorgt für euch.“
In diesem Vertrauen kann ich aus meinen Sorgen Gebete machen. Mit Gott reden. Ihm meine großen und kleinen Kümmernisse mitteilen. Alles vor ihm ausbreiten. „Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch!“ Mit Gottes Hilfe zurück ins Leben.
Ich ahne: Dieser kluge Hinweis wird es nicht verhindern, dass ich trotzdem immer mal wieder in meinen Sorgen lande. Das gehört dazu. Aber: Ich kann üben, mich nicht beherrschen zu lassen von den Sorgen. Sorgen sollen nicht das letzte Wort haben.
Warum? Weil vor aller meiner Sorge sich Gott um mich sorgt. Weil Gutes an mir getan wurde und getan wird.
Nein, es bringt nichts, mit aller Kraft meine Sorgen niederzudrücken, so zu tun, als ob ich sie nicht kenne. Aber ich kann versuchen, den Blick wieder freizubekommen, mich nicht gefangen nehmen zu lassen im Ghetto der Sorge.
Vielleicht wissen Sie, in welche Richtung ein Zug aus dem kleinen Ort Sorge im Harz weiterfährt – in den Ort Elend. Dort sollen wir nicht landen. Wir sollen hinfinden zu Güte und Barmherzigkeit. Ausgehend von unserem Gott. Die Fahrt soll nicht gehen von der Sorge ins Elend, sondern, wenn schon von der Sorge ausgehend, dann ins weite Land. In ein Land, welches in seiner Schönheit von der Liebe Gottes zeugt.
Es grüßt Sie herzlich, Ihr Pfarrer Dr. Martin Krapp
Neueste Kommentare